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Stellungnahme der Landesbeauftragten für Informationsfreiheit der Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation (Referentenentwurf)

Stand: 3. Februar 2011

Der Konferenz der Informationsbeauftragten in Deutschland (IFK) gehören folgende Landesbeauftragte für Informationsfreiheit an:

  • Der Berliner Beauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit,
  • Die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg,
  • Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit der Freien Hansestadt Bremen,
  • Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit,
  • Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern,
  • Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen,
  • Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Saarland,
  • Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Sachsen-Anhalt,
  • Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein

Allgemeines:

Die Informationsfreiheitsbeauftragten der Länder der IFK begrüßen, dass der vorliegende Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes zahlreiche Anregungen der Stellungnahme der IFK vom 2. September 2010 berücksichtigt. Die Vereinheitlichung der Regelungen zum Informationszugang als eine wesentliche Forderung wird jedoch nicht umgesetzt. Die derzeit existierenden zahlreichen Vorschriften über den Informationszugang, beispielsweise im Informationsfreiheitsgesetz (IFG), Umweltinformationsgesetz (UIG) und Verbraucherinformationsgesetz (VIG), sind für die Bürgerinnen und Bürger unübersichtlich und erschweren die Wahrnehmung ihrer Rechte. Zudem führen Abgrenzungsprobleme zwischen den Vorschriften zu Rechtsunsicherheiten bei den Behörden. Die Informationsfreiheitsbeauftragten der Länder bedauern, dass es bisher nicht gelungen ist, die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Zusammenführung der zersplitterten Rechtsgrundlagen für den Informationszugang umzusetzen.

Zu § 1 VIG-E

Die Informationsbeauftragten der Länder begrüßen grundsätzlich die Ausweitung des Anwendungsbereichs des VIG auf Verbraucherprodukte im Sinne eines neuen bisher noch nicht existierenden Produktsicherheitsgesetzes, das das bestehende Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) ersetzen soll. Unklar ist aber aufgrund des noch nicht vorhandenen Produktsicherheitsgesetzes, welche konkreten Produkte zukünftig dem VIG unterfallen werden. Um dem Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger zu genügen und größtmögliche Transparenz zu gewährleisten, ist ein weiter Anwendungsbereich des VIG, der beispielsweise auch Dienstleistungen und Finanzdienstleitungen erfasst, sinnvoll. Gesetzlich verankert werden sollten daher auch Auskunftsansprüche gegenüber Privatunternehmen. Wünschenswert - nicht nur aus Gründen der Rechtssicherheit - wäre zudem die Einbeziehung von Informationszugangsansprüchen aus Spezialgesetzen in den Anwendungsbereich des VIG.

Bezüglich des Informationszugangsanspruchs sollte zumindest in der Gesetzesbegründung klargestellt werden, dass es sich um einen voraussetzungslosen Informationsanspruch handelt, der auch dann gegeben ist, wenn der Antragsteller andere als die in § 1 genannten Zwecke verfolgt.

Zu § 2 VIG-E

Unklar ist nach wie vor das Konkurrenzverhältnis von VIG und IFG. Eine Klarstellung wäre an dieser Stelle wünschenswert.

Zu § 3 VIG-E

§ 3 Satz 1 Nummer 2 c VIG-E

Wünschenswert ist eine Legaldefinition der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im VIG.
§ 3 Satz 2 VIG-E

Die Informationsbeauftragten der Länder bewerten die Aufnahme einer Abwägungsklausel bei bestimmten privaten Belangen als positiv. Die Einführung eines (beschränkten) „public interest test“ entspricht der von der IFK im Rahmen der Evaluierung erhobenen Forderung. Es sollten allerdings Vorgaben gemacht werden, wann das Geheimhaltungsinteresse das Informationsinteresse überwiegt.

§ 3 Satz 5 VIG-E

Die Regelung ist unpräzise. Der Zugang zu Namen von Händlerinnen und Händlern, Herstellerinnen und Herstellern, Bevollmächtigten oder Einführenden kann nicht mehr unter Berufung auf das Betriebsgeheimnis oder Geschäftsgeheimnis abgelehnt werden, sofern ein Rechtsverstoß vorliegt. Namen können aber ein personenbezogenes Datum darstellen, wenn es sich bei den Betroffenen beispielsweise um Einzelkaufleute handelt. In diesem Fall ist eine Güterabwägung nach § 3 Satz 2 VIG-E erforderlich. Eine gesetzliche Klarstellung, dass das Informationsinteresse der Antragstellenden das Geheimhaltungsinteresse überwiegt, wäre wünschenswert.

Zu § 4 VIG-E

Der Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit vor, einen Antrag auf Informationszugang per E-Mail zu stellen. Zu kritisieren ist jedoch, dass eine Antragstellung nicht vollständig formlos, also auch mündlich wie zum Beispiel im IFG des Bundes, erfolgen kann. Zudem sollten Anträge auch bei fernmündlicher Antragstellung anonym, bzw. bei Antragstellung per E-Mail unter Pseudonym gestellt werden können, sofern es sich um eine kostenlose Auskunft handelt.

Nach Absatz 3 sollen Anträge zukünftig abgelehnt werden können, soweit sie so umfangreich sind, dass durch ihre Bearbeitung die Erfüllung von sonstigen der Behörde obliegenden Aufgaben nicht unerheblich beeinträchtigt wird. Die Regelung ist zu weitgehend und birgt die Gefahr, dass Anträge vorschnell mit dem Hinweis auf einen unverhältnismäßigen Aufwand abgelehnt werden. Die in der Begründung zu § 4 Absatz 3 VIG-E angesprochenen Aspekte des „Ausforschungsantrags“ beziehungsweise der „Lahmlegung der Behörde“ kommen in der Regelung nicht hinreichend zum Ausdruck. Dafür müsste die Schwelle der Beeinträchtigung höher angesetzt werden. Denkbar wäre, entsprechende Anträge nicht pauschal abzulehnen, sondern eine verlängerte Bearbeitungsfrist festzulegen.

Zu § 5 VIG-E

Die Informationsbeauftragten der Länder begrüßen das Ziel einer Verfahrensbeschleunigung bei Berücksichtigung der Rechte Dritter und Wahrung ordnungsgemäßer Verfahrensabläufe. Deutlicher würde das Ziel durch folgende Fassung des § 5 Absatz 1 Satz 1 VIG-E: „Unabhängig von den in Absatz 3 Satz 1 genannten Vorschriften ist der Antrag unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Frist von einem Monat zu bescheiden.“

Die Regelung, wonach die Behörde berechtigt ist, auf Nachfrage des Dritten Name und Anschrift des Antragstellers offen zu legen, ist aus datenschutzrechtlicher Sicht zu kritisieren. Zudem kann die Vorschrift dazu führen, dass Verbraucher davon absehen, Auskünfte zu verlangen.

Zu § 6 VIG-E

Die Forderung der IFK, § 6 Satz 3 VIG-E als Soll-Vorschrift auszugestalten, wurde nicht berücksichtigt. Diese Entscheidung ist zu kritisieren, denn ein aktives Bereitstellen von Informationen ist ein wichtiges Instrument zur Erhöhung der Transparenz.

Zudem gewährt die Vorschrift den Antragstellenden kein ausdrückliches Recht, Notizen oder Kopien anzufertigen. Die Formulierung „in sonstiger Weise“ in § 6 Absatz 1 Satz 1 VIG-E bezieht sich lediglich auf die Form der Auskunftserteilung. Wünschenswert wäre eine ergänzende Regelung, die ein ausdrückliches Recht auf die Anfertigung von Notizen oder Kopien bei Einsichtnahme in Informationen nach dem VIG-E vorsieht.

Zu § 7 VIG-E

Die Einführung einer Kostenregelung nach dem britischen Modell hatte die IFK in ihrer Stellungnahme zur Evaluation des Verbraucherinformationsgesetzes vom 2. September 2010 gefordert. Allerdings ist die Freistellung von Kosten zu niedrig ausgefallen, da ab 250,00 € eine volle Kostentragungspflicht besteht. Das sind unter Umständen nicht einmal fünf Stunden Arbeitszeit. Viele Bürgerinnen und Bürger könnten durch die drohenden Gebühren von einer Antragstellung abgeschreckt werden. Auskunftsanträge, die sich auf Auskunft über Rechtsverstöße bezogen, waren bisher kostenfrei. Das sollte auch zukünftig so bleiben und gesetzlich geregelt werden. Ebenso sollte festegelegt werden, dass die Gebühren eine wirksame Inanspruchnahme des Informationszugangs nicht behindern dürfen.

Zu § 8 VIG-E

Die Schaffung eines oder einer Bundesbeauftragten für Verbraucherinformation ist zu begrüßen. Dies gilt auch für die in der Begründung formulierten Anregung an die Länder, den Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit die Aufgaben von Beauftragten für Verbraucherinformationen zu übertragen. Dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit sollten auch die Aufgaben eines Beauftragten für Umweltinformationen nach dem UIG übertragen sowie eine Kontrollbefugnis hinsichtlich der Informationspflichten von Bundesbehörden nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch eingeräumt werden.

Weitere Anmerkung

Das „Smiley-Projekt“ wurde nicht im Gesetzentwurf berücksichtigt. Die Aufnahme entsprechender Regelungen wäre wünschenswert.

Zu § 40 Absatz 1 a Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch-Entwurf

Mit § 40 Absatz 1 a LFGB-E wird die Behörde nunmehr verpflichtet, die im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit erlangten Informationen über Rechtsverstöße unter Namensnennung öffentlich bekannt zu machen. „Ross und Reiter“ zu nennen, hatte auch die IFK in ihrer Stellungnahme zur Evaluation des Verbraucherinformationsgesetzes vom 2. September 2010 gefordert. § 40 Absatz 1 a LFGB-E regelt aber nicht die Art der Veröffentlichung. Sie könnte beispielsweise in das Ermessen der Behörde gestellt werden. Allerdings ergibt sich aus dem auch im Gesetzentwurf im allgemeinen Teil genannten Aktionsplan Verbraucherschutz in der Futtermittelkette, dass für öffentliche Warnungen von unsicheren Lebensmitteln die Internetplattform www.lebensmittelwarnung.de eingerichtet werden soll. Da davon auszugehen ist, dass eine Veröffentlichung im Internet erfolgen soll, müsste unter Umständen darauf gedrungen werden, dass mit Blick auf das Urteil des Europäische Gerichtshof (EuGH) zu den Agrarsubventionen (C-92/09 und C-93/09) eine europarechtskonforme Art der Veröffentlichung gewählt wird. So stellt sich unter Berücksichtigung der Kriterien des EuGH die Frage, ob zum Beispiel nach der Größe der betroffenen Händler oder nach der Schwere des Rechtsverstoßes differenziert werden muss.

Anmerkung:

Nach dem neuen VIG werden Verbraucherprodukte im Sinne des neuen Produktsicherheitsgesetzes dem Anwendungsbereich des VIG unterfallen. Im bisherigen Geräte – und Produktsicherheitsgesetz beziehungsweise im neuen Produktsicherheitsgesetz fehlt eine dem § 40 LFGB entsprechende Vorschrift. Es stellt sich daher die Frage, ob nicht eine entsprechenden Regelung für Verbraucherprodukte geschaffen werden sollte (Beispiel: Warnung vor dem Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Spielzeuge unter Nennung des Namens des Herstellers und der Lieferanten et cetera).

Dr. Imke Sommer

Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit der Freien Hansestadt Bremen und Vorsitzende der Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland im ersten Halbjahr 2011